Macht essen oder Kohlenhydrate nach 18 Uhr dick?

Mythos: Essen nach 18 Uhr macht dick

Einer der vermutlich hartnäckigsten Mythen im Ernährungsbereich und der Fitnessbranche ist vermutlich die Aussage, dass Essen/ Kohlenhydrate nach 18 Uhr dick machen. Nach dieser Aussage spielt vor allem die Uhrzeit, wann gegessen wird eine Rolle. Alles was nach 18 Uhr gegessen wird, soll vom Körper schlechter verwertet werden und dick machen. Aber was ist an dieser Aussage dran?

Woher kommt dieser Mythos?

Tatsächlich gibt es für diesen Mythos keinen eindeutigen Ursprung.

Eine mögliche Überlegung ist die Annahme, dass der Körper im Schlaf weniger Kalorien verbrennt als tagsüber, da wir uns nachts nicht bewegen. Eine weitere Theorie ist, dass der Körper nachts weniger effektiv verdaut als tagsüber, dafür gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Beweise.

Die Regel nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate mehr zu essen, oder sogar nach 18 Uhr gar keine Nahrung mehr zu sich zu nehmen, hilft sehr vielen Menschen Gewicht zu verlieren und Fett zu verbrennen. Der Grund dafür liegt jedoch nicht darin, dass 18 Uhr eine „magische“ Grenze ist nach der plötzlich jede Kalorie dreifach zählt, oder der Körper diese anders aufnimmt. Die Begründung ist viel simpler und lautet: Kalorienbilanz.

Kalorienbilanz erklärt

Die Kalorienbilanz ist nichts anderes als die Differenz zwischen den aufgenommenen Kalorien und den verbrannten Kalorien, auch bekannt als „Calories In vs. Calories Out“. Nimmst du weniger Kalorien zu dir als du benötigst, nimmst du ab. Isst du hingegen mehr als du benötigst, nimmst du zu (sehr einfach formuliert). Die „Calories Out“ Seite der Gleichung wird dabei bestimmt durch dein Körpergewicht, deine Muskelmasse, deinen Hormonhaushalt und deine Stoffwechselrate.

Wenn du also abnehmen willst, musst du dafür sorgen, dass die Kalorienbilanz negativ ist, du musst weniger essen als du benötigst. Und genau das ist der Grund warum „Keine Kohlenhydrate nach 18 Uhr“ funktioniert. Viele Menschen neigen dazu abends vor dem Fernseher zu snacken. Chips, Salzstangen, Gummibärchen, Nüsse etc. All diese Lebensmittel enthalten viele Kohlenhydrate, aber vor allem viele Kalorien. Lässt du sie weg, wirst du effektiv einfach weniger Kalorien zu dir nehmen als vorher. Du bist in einem Kaloriendefizit und nimmst ab. Denselben Effekt hättest du jedoch auch, wenn du das Frühstück oder Mittagessen auslässt oder einfach die Kalorienmenge über den Tag begrenzt (1).

Aber was ist mit den Kohlenhydraten?!

Kohlenhydrate haben leider immer noch einen sehr schlechten Ruf. Low Carb Diäten gelten immer noch als Garant schnell und effektiv abzunehmen. Viele, die abnehmen wollen verzichten ab Tag 1 auf sämtliche Kohlenhydrate und nehmen sich sie die Energie im Training. Studien zeigen jedoch, dass es keine Unterschiede im Fettverlust gibt zwischen einer Low-Carb und einer Low-Fat Ernährungsweise, solange die Kalorien und die Proteinmenge gleich sind (2).

Viele verteufeln Kohlenhydrate wegen ihres Effekts auf den Blutzuckerspiegel und die Insulinausschüttung. Insulin ist ein Hormon, das den Blutzucker reguliert und dafür sorgt, dass dieser in die Zellen aufgenommen wird. Solange Insulin im Körper wirkt, wird kein Fett verbrannt. Diese Tatsache wird von einigen so aufgenommen, dass man Kohlenhydrate möglichst komplett aus der Ernährung streichen sollte, um einen Insulinausstoß zu vermeiden und mehr Fett zu verbrennen. Auch hier lautet das Stichwort jedoch wieder Kalorienbilanz: In einem Kaloriendefizit wirst du IMMER Körperfett verlieren, da dem Körper einfach weniger Energie zur Verfügung steht, als er benötigt.

Kohlenhydrate nach 18 Uhr machen schlank!

Auch wenn diese Aussage vielleicht etwas plakativ formuliert ist, stimmt sie im Grunde. Kohlenhydrate können dir tatsächlich helfen besser abzunehmen und Fett zu verbrennen.

Insulin hat neben seinem Effekt auf den Blutzuckerspiegel nämlich noch einen anderen wichtigen Effekt. Es fungiert als Gegenspieler von Cortisol, unserem Stresshormon. Kohlenhydrate können dir also helfen Stress zu senken und dich abends „runterfahren“. Vor allem nach dem Training können Kohlenhydrate daher Sinn machen.

Indirekt verbessern Kohlenhydrate so deine Schlafqualität, da der Cortisolspiegel im Schlaf niedrig sein muss, um Melatonin (unser Schlafhormon) zu produzieren. Studien zeigen, dass mangelnder Schlaf und schlechte Schlafqualität zu mehr Hunger und weniger Sättigung führen (3,4). Du wirst also, wenn du schlecht geschlafen hast mehr essen als normal. Dadurch steigt deine Kalorienaufnahme. Ebenso wirkt sich ein Schlafmangel negativ auf den Hormonhaushalt aus und kann Hormone, die den Stoffwechsel regulieren beeinflussen (5).

Fazit

Du siehst also, dass du nicht zwangsläufig auf Essen und Kohlenhydrate nach 18 Uhr verzichten musst, um abzunehmen. Kohlenhydrate am Abend können deine Schlafqualität verbessern und dir so indirekt helfen abzunehmen. Zu nah an Schlafenszeit solltest du jedoch große Mahlzeiten vermeiden, da ein voller Magen den Schlaf wiederum negativ beeinflussen kann. Wenn es dir individuell hilft, nach 18 Uhr nichts mehr zu essen, weil du dazu neigst abends auf der Couch unkontrolliert zu snacken, kann es für dich sinnvoll sein, das so zu handhaben, du musst dir jedoch nichts verbieten, solange du eine negative Kalorienbilanz einhältst.

Autor/in: Steffen K.


Quellen:

(1) Liu, D.; Huang, Y.; Huang, C.; Yang, S.; Wie, X.; Zhang, P.; Guo, D.; Lin, J.; Xu, B.; Li, C.; He, H.; He, J. (2022). Calorie Restriction with or without Time-Restricted Eating in Weight Loss. The New England Journal of Medicine. 21

(2) Demol, S.; Gavan-Yackobovutch, M.; Shalitin, S.; Nagelberg, N.; Keren-Gillon, M.; Phillip, M. (2009). Low-carbohydrate (low & high-fat) versus high-carbohydrate low-fat diets in the treatment of obesity in adolescents. Acta Paediatrica. 98

(3) Schmid, S.; Hallmschmid, M.; Jauch-Chara, K.; Born, J.; Schultes, B. (2008). A single night of sleep deprivation increases ghrelin levels and feelings of hunger in normal-weight healthy men. Journal of Sleep Research. 17 (3)

(4) Brondel, L.; Romer, M.; Nougues, P.; Touyarou, P.; Davenne, D. (2010). Acute partial sleep deprivation increases food intake in healthy men. The American Journal of Clinical Nutrition. 91 (6)

(5) Copinschi, G. (2005) Metabolic and endocrine effects of sleep deprivation. Essential Psychopharmacology. 6 (6)

Come join us

mitglied-werden Mitglied werden